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Sächsische Zeitung 27./28.03.2021 Link: saechsische.de Download PDF

Sachsens Goldgrube

Finanz- und Wirtschaftskrisen haben zum Erfolg des Familienunternehmens Geiger bei Leipzig beigetragen. Inzwischen gräbt das Münzhaus selbst nach Silber.

Am Rande von Espenhain im Leipziger Süden, wo zu DDR-Zeiten ein Braunkohle-Veredelungswerk rauchte und dampfte, erstrecken sich heute weitläufige Wiesen. Vom Kraftwerk geblieben ist nur die alte Schaltwarte, ein sehr langer weißer Bau mit quadratischen Fenstern aus den 1930er Jahren, der unter Denkmalschutz und ziemlich allein in der Landschaft steht  Vor dem schon beschlossenen Abriss bewahrte die Schaltwarte nur ein neuer Besitzer, dessen Name heute in silbernen Lettern über dem Eingangsportal steht: Geiger Edelmetalle. Das Familienunternehmen ist erst seit 15 Jahren in der Region aktiv, hat sich seither aber zu einem der größten und vielseitigsten Akteure im Geschäft mit Gold, Silber, Platin und anderen Edelmetallen entwickelt. Geiger liefert heute Zahlungsmittel für diverse Zentralbanken, Medaillen und Gedenkmünzen, Goldbarren und Silbermünzen.
Aus Sicherheitsgründen ist der moderne Maschinenpark im obersten Stockwerk des historischen Fabrikgebäudes untergebracht. In den ausgedehnten, hohen Hallen der Schaltwarte wird hochwertiges Edelgranulat gegossen, gewalzt, gestanzt, gepresst und zu sehr exakten Barren, Ronden und hochwertigen Münzen verarbeitet – alle mit einmaligen Sicherheitsmerkmalen. Zwischen den Öfen und Pressen läuft ein Mann mit schwarzen Arbeitshosen und kahlem Kopf durch die Produktionshallen: Adalbert Geiger, 55, Gründer und Mädchen für alles in seinem Betrieb. 2010 erwarb der Mann hinter der Erfolgsgeschichte das Espenhainer Industriedenkmal, ließ es Stück für Stück sanieren und für die Barren- und Münzfertigung umbauen. Doch der Vorstandsvorsitzende ist kein Mann für Schreibtischarbeit und Samthandschuhe – er trägt lieber Arbeitsschuhe und kümmert sich darum, dass die Maschinen optimal laufen: „Ich bin immer da, wo etwas verbessert werden kann.“

Diese Hemdsärmeligkeit liegt wohl auch in seiner Geschichte begründet: Geiger, der aus Schwäbisch Gmünd stammt, hat als junger Mann Lacktechniker bei Daimler-Benz in Stuttgart gelernt. Ein paar Jahre später baute er in einer Garage einen Zulieferbetrieb für lackierte Autoteile auf. „Am Ende hatten wir mehr als 300 Mitarbeiter, eine automatisierte Produktion und haben 100.000 Bauteile am Tag geliefert“, erzählt Geiger. Dann bekam er ein gutes Angebot, verkaufte das Unternehmen und stieg in jene Traditionsbranche ein, in der schon seine Eltern, Großeltern und Schwiegereltern tätig waren: Edelmetalle, Silberwaren, Zinn.

Als Hersteller spielt Geigers heutige Firma in einer Liga mit der Staatlichen Münze Berlin und dem Bayerischen Hauptmünzamt in München. Sie ist aber nicht nur Produktionsbetrieb – sondern in fast allen Bereichen der Branche präsent: als Hersteller und Händler, als Scheideanstalt und Münz-Prägestätte, als Logistiker, Dienstleister und Verwahrer für Edelmetalle und andere Geldanlagen. Ein vergleichbares privates Unternehmen wie seines gebe es kein zweites in Deutschland, sagt Geiger. „Wir konkurrieren mit den Großen in Südafrika, Kanada und Australien.“ Mittlerweile arbeiten wieder mehr als 100 Menschen für den Firmengründer und machen jährlich eine halbe Milliarde Euro Umsatz. Mit dabei: Die zwei ältesten Söhne Andreas und Johannes.

Bereits 2005 hatte Geiger bei einer Zwangsversteigerung das Schloss Güldengossa am Störmthaler See erworben und gründlich saniert. Die unteren Etagen des barocken Herrenhauses gestaltete der leidenschaftliche, kunstsinnige Bauherr mit dicken Teppichen, Ölgemälden und dunklen Holzmöbeln zu repräsentativen Firmenräumen aus. Im Keller entstand eine Schließfachanlage mit bankentypischen Doppelschlosssystem, unterm Dach eine Wohnung für die Familie. Die Silhouette des Schlosses prangt heute auf einer hauseigenen Edition von Barren und Medaillen. 
Die Erfolgsgeschichte hat etwas zu tun mit den Finanz- und Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre bis hin zur Corona-Pandemie. „Gerade in unsicheren Zeiten suchen viele Anleger Sicherheit im Gold“, sagt Oliver Heuschuch, der Direktor für Edelmetallhandel bei Geiger, der sein Arbeitszimmer im Schloss Güldengossa hat. Deutschland gelte laut Zahlen des World Gold Council als weltweit größter Markt für Münzen und Barren – gleich nach China und Indien. Ein Grund dafür seien auch die zahlreichen Währungsreformen, die Deutschland in den vergangenen 150 Jahren erlebt und erlitten habe. Hinzu kommen Minuszinspolitik, Finanzkrisen, Euro-Skepsis, Inflationsängste. „Gold bringt keine Zinsen“, sagt Heuschuch, „aber sie gibt den Anlegern Sicherheit wie eine gute Feuerversicherung.“

Zu Geigers Auftraggebern zählen ebenso Volks- und Raiffeisenbanken wie Zentralbanken, die spezielle Münzserien prägen lassen. Besonderes Renommee hat Geiger ein Vertrag mit der armenischen Zentralbank eingebracht, für die er die Sammler- und Anlagemünze „Arche Noah“ in verschiedenen Größen aus Gold und Silber exklusiv herstellt und vermarktet. Der Deal kam durch persönliche Kontakte im Landkreis Leipziger Land zustande. Mittlerweile erwartet Geiger allein für diese Münzen eine Auflage von mehreren Millionen Stück. Wichtig fürs Prestige ist Geiger auch die Aufnahme in die London Bullion Markt Association (LBMA) zu Beginn dieses Jahres. Das Unternehmen ist damit eines von weltweit nur 145 exklusiven Mitgliedern des internationalen Spitzenverbandes für Gold- und Silberhandel. Der unabhängige Verband definiert Regeln für den Markt, setzt Qualitätsstandards und spricht Zertifizierungen aus. Deutschlandweit zählt er nur etwa zehn Mitglieder, darunter große Bank- und Goldhandelshäuser. „Die Aufnahme als erstes Unternehmen in Ostdeutschland“, sagt Adalbert Geiger, „zeigt die immensen Fortschritte, die wir als mittelständisches Unternehmen mit einem weltweiten Kundenstamm machen konnten.“ Den zumeist gut informierten Kunden sei eine solche LBMA-Mitgliedschaft enorm wichtig, da der Goldmarkt weniger streng reglementiert ist.

Doch mit dem Erreichten ist der umtriebige Firmenchef noch nicht zufrieden. Um die Wertschöpfungskette im eigenen Unternehmen zu schließen, ging der Macher unter Tage: Mit der Sachsenerz Bergbau GmbH sucht er in Zschorlau im Erzgebirge nach Silber. Mittlerweile ist er dabei auch auf seltene Stoffe wie Bismut, Kobalt und Nickel gestoßen. Wenn alles gut geht, beginnt in wenigen Jahren der Abbau. In der Schaltwarte im 80 Kilometer entfernten Espenhain würde das Silber dann verarbeitet.