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Spiegel Online 15.08.2016 Link: spiegel.de Download PDF

Humorseminar für Lehrer – Hurra, wir haben ein Problem!

Lehrer, die jeden Tag "Fick dich"-Kommentare zu hören kriegen, verlieren schon mal den Spaß am Job. Humor-Seminare sollen dabei helfen, solche Situationen besser zu überstehen.

Schon der Name klingt wie ein Witz: “Deutsches Institut für Humor”. Er zeigt, wie ernst in Deutschland selbst das Thema Spaß gern genommen wird. Dabei wollen die Leipziger Coaches, Pädagogen und Schauspieler mehr Leichtigkeit und Lachen unters Volk bringen – besonders auch in Schulen. So steht Trainerin Katrin Hansmeier schon morgens um 8.30 Uhr in einer Lernförderschule in Leipzig und entlockt dem Kollegium zunächst mal einen Eid.

Die 21 Lehrerinnen und sechs Lehrer sollen sich im Kreis aufstellen, die linke Hand aufs Herz legen, die Rechte zum Schwur hochhalten und wie die Ritter der Tafelrunde laut proklamieren: “Ich schwöre, dass ich die Spielregeln einhalten und Frau Hansmeier achten und ehren werde, ein Leben lang!” Die Pädagogen kichern und lachen – und sind schon mitten im Thema.

Hansmeier, 38, ist Schauspielerin und Kommunikationstrainerin, sie hat Bühnenerfahrung im Improvisationstheater und gehört seit acht Jahren zum Leipziger Institut. Humor, sagt sie, kann deeskalieren und entspannen, er kann Widerstände abbauen, Aufmerksamkeit erzeugen, Attraktivität erhöhen und Probleme kreativ lösen.

Manchmal muss man dafür nur die Perspektive wechseln und sagen: “Hurra, ein Problem! Was machen wir damit?” Gerade an Schulen können sich kritische Situationen schnell entkrampfen, wenn der Lehrer Faxen macht, so die Erfahrung der Spaßversteher.

Jeden Tag “Fick dich!”-Kommentare

Schulleiterin Ute Kretzschmar arbeitet seit 16 Jahren an der Lernförderschule Johann Heinrich Pestalozzi im Leipziger Norden. Der Umgangston ist mitunter rau. “Fick dich!” und andere Schimpfwörter unter der Gürtellinie sind an der Tagesordnung. “Das müssen Sie aushalten können”, sagt die drahtige 48-Jährige mit der blonden Kurzhaarfrisur und dem bunten Brillengestell. Sie und ihr Team testen immer mal wieder neue Konzepte – nun also Humor.

In dem sanierten Plattenbau mit der bunten Fassade und den großen Fenstern lernen mehr als 200 Kinder und Jugendliche der Klassen eins bis neun unter einem Dach. Förderschullehrer leiden besonders häufig unter seelischen Problemen, sie haben laut einer neuen Statistik des sächsischen Kultusministeriums die meisten Krankheitstage. “Ich muss darauf achten, dass es meinen Leuten gut geht”, sagt Kretschmar. Ihre Strategie scheint aufzugehen: Sie hat ein lebhaftes, offenes Team. “Die meisten Kollegen”, sagt die Musiklehrerin mit DDR-Diplom, “lachen genauso viel und gern wie ich.”

Und Humor ist lernbar. Coach Katrin Hansmeier rät, mit dem Vertrauten zu brechen. “Wir haben irgendwann Lieblingssätze und Standards entwickelt. Eines ihrer Grundprinzipien zur Konfliktlösung: “Lass dich nicht so schnell an die Angel nehmen.”

Nach einer verbalen Attacke also erst mal kurz durchatmen, innerlich Abstand gewinnen und dann mit einer paradoxen Intervention reagieren. Zum Beispiel: Wird ein Lehrer im Elterngespräch angepöbelt, er sei doch “völlig inkompetent”, könne die Antwort lauten: “Toll, dass ihnen das aufgefallen ist. Ich habe das jahrelang trainiert.” Die Kunst bestehe darin, umzuschalten und Störungen als Angebot aufzufassen. “Wir können das”, sagt Hansmeier. Ihre Diplomarbeit hat sie über das Unfassbare geschrieben – über Theater und Kabarett im KZ. Humor als geistige Überlebensstrategie, um Mensch zu bleiben und nicht verrückt zu werden.

“Morgen bin ich Terminator!”

Als Schulleiterin Kretschmar fragt, was eine Kollegin tun solle, die in einer bekannt schwierigen Klasse Unterricht vertreten muss, rät Hansmeier vor allem davon ab, schon morgens gleich innerlich aufzustöhnen: “Oh, nein! Nicht schon wieder die 8c!” Stattdessen könne man sich sagen: “Hurra, heute lern ich meine Heldenkräfte kennen!” Alles eine Frage der inneren Haltung.

Positiv reagieren könnte die Lehrerin auch auf den klassischen Schülerspruch: “Ich kann das nicht!” Mögliche Antwort: “Prima, dann kannst du ja nicht enttäuscht werden, es kann nur besser werden.” Und der Vorwurf: “Sie sind immer so gemein zu mir!”, könnte gekontert werden mit: “Stimmt! Und das war erst der Anfang. Morgen bin ich Terminator!”

Umdeutungen, Abweichungen, Überraschungen zählen zu den wichtigen Spielarten des Humors. Selbstironie und sich selbst etwas abzuwerten gehören dazu oder den anderen aufwerten und zum Star machen. Der soziale Humor, betont Hansmeier, sollte immer liebevoll gemeint sein, nicht zynisch und herablassend.

Einige Studien aus Medizin und Psychologie bestätigen mittlerweile, dass Humor gesund erhält. Lachen habe heilende Effekte auf Körper und Seele. Endorphine werden ausgeschüttet, Stresshormone abgebaut, das Immunsystem gestärkt.

Ute Kretschmar ist am Ende des Seminars erschöpft, aber froh über die Lektion im Lachen. “Wir können nicht alle Probleme mit Humor lösen. Aber es war wichtig, wieder einen anderen Blick auf Konflikte zu bekommen und mehr Gelassenheit ins Klassenzimmer zu bringen.”